Ovid – Metamorphosen – Liber sextus – Orithya – Übersetzung

Boreae Tereus Thracesque nocebant,
dilectaque diu caruit deus Orithyia,
dum rogat et precibus mavult quam viribus uti;
ast ubi blanditiis agitur nihil, horridus ira, 685
quae solita est illi nimiumque domestica vento,
‚et merito!‘ dixit; ‚quid enim mea tela reliqui,
saevitiam et vires iramque animosque minaces,
admovique preces, quarum me dedecet usus?
apta mihi vis est: vi tristia nubila pello, 690
vi freta concutio nodosaque robora verto
induroque nives et terras grandine pulso;
idem ego, cum fratres caelo sum nactus aperto
(nam mihi campus is est), tanto molimine luctor,
ut medius nostris concursibus insonet aether 695
exsiliantque cavis elisi nubibus ignes;
idem ego, cum subii convexa foramina terrae
supposuique ferox imis mea terga cavernis,
sollicito manes totumque tremoribus orbem.
hac ope debueram thalamos petiisse, socerque 700
non orandus erat mihi sed faciendus Erectheus.‘
haec Boreas aut his non inferiora locutus
excussit pennas, quarum iactatibus omnis
adflata est tellus latumque perhorruit aequor,
pulvereamque trahens per summa cacumina pallam 705
verrit humum pavidamque metu caligine tectus
Orithyian amans fulvis amplectitur alis.
dum volat, arserunt agitati fortius ignes,
nec prius aerii cursus suppressit habenas,
quam Ciconum tenuit populos et moenia raptor. 710
illic et gelidi coniunx Actaea tyranni
et genetrix facta est, partus enixa gemellos,
cetera qui matris, pennas genitoris haberent.
non tamen has una memorant cum corpore natas,
barbaque dum rutilis aberat subnixa capillis, 715
inplumes Calaisque puer Zetesque fuerunt;
mox pariter pennae ritu coepere volucrum
cingere utrumque latus, pariter flavescere malae.
ergo ubi concessit tempus puerile iuventae,
vellera cum Minyis nitido radiantia villo 720
per mare non notum prima petiere carina.


Deutsche Übersetzung: (Buch 6, Vers 682-721)
Orithya

Boreas warb um die Tochter des attischen Fürsten Erechtheus.
Lang entbehrte der Gott der geliebeten Orithya;
Während er fleht‘, und lieber mit Zärtlichkeit, als mit Gewalt kam.
Aber da schmeichelndes Flehn nichts fruchtete, straubig von Zorne,
Welcher gewöhnlich bereits und zu sehr einheimisch dem Wind ist:

Recht so! redet er, recht! Was ließ ich meine Geschosse,
Grausame Kraft und Gewalt und Zorn und trotzige Wildheit,
Und versuchte zu flehn? was mir am wenigsten ansteht!
Mir ziemt einzig Gewalt: mit Gewalt verjag‘ ich die Wolken,
Schüttle den Sund mit Gewalt und drehe die knotigen Eichen,
Härte den Schnee und geißle das Land mit geschmettertem Hagel.
Auch, wann ich etwa die Brüder im offenen Himmel erlange,
(Mein ist jenes Gefild‘!) so machtvoll ring‘ ich und kämpf‘ ich,
Daß, von unsrer Begegnung gezwängt, laut donnert der Äther,
Und aus hohlem Gewölk das entschlagene Feuer hervorzuckt.
Doch wann nieder ich fahr‘ in gewölbete Klüfte des Erdreichs,
Meinen Rücken mit Trotz an die untersten Höhlungen stemmend;
Beben die Manen zugleich und die Lande der Welt von Erschüttrung.
Also sollt‘ ich gerüstet die Braut angehn, und zum Schwäher
Sollt‘ ich, statt zu erflehn, mit Gewalt erzwingen Erechtheus!

Als dies, oder nicht minder Erhabenes jener geredet,
Spreizt‘ er der Fittiche Schwung, der gewaltigen: daß von dem Wehen
Ringsum stürmte die Erd‘, und erschauderten weite Gewässer.
Über die Spitzen der Berg‘ hinziehend den staubigen Mantel,
Fegt‘ er den Grund; und der ängstlich erzitternden Orithya
Naht‘ er, in Dunkel gehüllt, und umschlang sie mit gelblichen Flügeln,
Und wie er flog, so entbrannte gefacht noch stärker das Herz ihm.
Und nicht hemmte der Räuber dem luftigen Laufe die Zügel,
Bis er erreicht der Cikonen Geschlecht und türmende Mauern.

Dort, Aktäerin, wardst du das Weib des frostigen Königs,
Auch Gebärerin bald; denn Zwillinge brachte dein Schoß ihm,
Die von der Mutter den Wuchs, und Fittiche trugen vom Vater.
Doch nicht sproßten zugleich, wie man sagt, mit dem Leibe die Flügel;
Sondern bevor sich der Bart zum bräunlichen Haare gesellte,
Wandelten Zethes der Knab‘ und Kalaïs ohne Gefieder.
Bald nun keimten die Kiele zugleich, wie gebrüteten Vöglein,
Flaumig um jegliche Seit‘, und zugleich ergilbten die Wangen.
Aber sobald vor der Jugend die Knabenjahre zurückflohn;
Jetzt mit den Minyern holend das Vlies von strahlenden Zotteln,
Trug sie das erste Schiff durch unbefahrene Meerflut.

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