Plinius: Epistulae – Buch 3.05 – Übersetzung

Lateinischer Text: Deutsche Übersetzung:
Liber tertius, Epistulae 5 – C. Plinius Baebio Macro suo S.C. Buch 3, Brief 5 – C. Plinius grüßt seinen Macer
Pergratum est mihi quod tam diligenter libros avunculi mei lectitas, ut habere omnes velis quaerasque qui sint omnes. Das freut mich riesig, du studierst die Bücher meines Oheims so gründlich, dass du alle haben möchtest, und fragst, was er denn alles geschrieben habe.
Fungar indicis partibus, atque etiam quo sint ordine scripti notum tibi faciam, est enim haec quoque studiosis non iniucunda cognitio. Ich werde also die Rolle des Bibliographen übernehmen und dir auch gleich angeben, in welcher Reihenfolge sie verfasst sind, denn auch das zu wissen ist für eifrige Leser nicht uninteressant.
‚De iaculatione equestri unus‘; Hunc cum praefectus alae militaret, pari ingenio curaque composuit. „Das Speerwerfen im Reiterdienst in einem Buche“; Dies hat er mit gleich viel Talent wie Sorgfalt verfaßt, als er als Schwadronschef diente.
‚De vita Pomponi Secundi duo‘; a quo singulariter amatus hoc memoriae amici quasi debitum munus exsolvit. „Biographie des Pomponius Secundus in zwei Büchern“; Der Mann schätzte ihn außerordentlich, und er widmete dies Werk dem Andenken des Freundes gleichsam als geschuldete Huldigung.
‚Bellorum Germaniae viginti‘; quibus omnia quae cum Germanis gessimus bella collegit. „Kriege in Germanien in zwanzig Büchern“; In diesen hat er alle Kriege zusammengestellt, die wir mit den Germanen geführt haben.
Incohavit cum in Germania militaret, somnio monitus: Astitit ei quiescenti Drusi Neronis effigies, qui Germaniae latissime victor ibi periit, commendabat memoriam suam orabatque ut se ab iniuria oblivionis assereret. Er begann damit, als er in Germanien Kriegsdienste tat, durch einen Traum gemahnt: Im Schlaf trat der Schemen des Drusus Nero, der nach Unterwerfung weiter Teile Germaniens dort ums Leben kam, zu ihm, legte ihm sein Andenken ans Herz und bat ihn, ihn vor der Unbill des Vergessenwerdens zu bewahren.
‚Studiosi tres‘, in sex volumina propter amplitudinem divisi, quibus oratorem ab incunabulis instituit et perficit. „Drei Bücher Studien“, wegen des Umfangs auf sechs Rollen verteilt, in denen er den Redner von den Anfangsgründen an unterweist und zur Vollendung bringt.
‚Dubii sermonis octo‘: Scripsit sub Nerone novissimis annis, cum omne studiorum genus paulo liberius et erectius periculosum servitus fecisset. „Acht Bücher zweifelhafte Sprachformen“: Schrieb er in den letzten Jahren unter Nero, als die Knechtschaft jede freiere und aufrechtere Art der wissenschaftlichen Betätigung gefährlich erscheinen ließ.
‚A fine Aufidi Bassi triginta unus.‘ „Fortsetzung des Aufidius Bassus, einunddreißig Bücher.“
‚Naturae historiarum triginta septem‘, opus diffusum eruditum, nec minus varium quam ipsa natura. „Siebenund- dreißig Bücher Naturgeschichte“, ein umfangreiches, gelehrtes Werk, nicht weniger abwechslungsreich als die Natur selbst.
Miraris quod tot volumina multaque in his tam scrupulosa homo occupatus absolverit? Da staunst Du gewiß, daß der vielbeschäftigte Mann so viel Arbeiten und in ihnen so viele heikle Dinge absolviert hat?
Magis miraberis si scieris illum aliquamdiu causas actitasse, decessisse anno sexto et quinquagensimo, medium tempus distentum impeditumque qua officiis maximis qua amicitia principum egisse. Und wirst noch mehr staunen, wenn Du hörst, daß er eine Zeitlang auch Prozesse geführt hat, erst 55 Jahre alt gestorben ist und die ihm verbleibende Zeit teils durch dringende Amtsgeschäfte, teils durch die Freundschaft der Kaiser in Anspruch genommen und behindert verlebt hat.
Sed erat acre ingenium, incredibile studium, summa vigilantia. Aber er war ein scharfsinniger Kopf, unglaublich interessiert und immer wach.
Lucubrare Vulcanalibus incipiebat non auspicandi causa sed studendi statim a nocte multa, hieme vero ab hora septima vel cum tardissime octava, saepe sexta. Von den Vulcanalien an begann er gleich tief in der Nacht bei Licht zu arbeiten, nicht um der guten Vorbedeutung willen, sondern der Studiem halber, winters um die siebente oder spätestens achte, oft auch schon um die sechste Nachtstunde.
Erat sane somni paratissimi, non numquam etiam inter ipsa studia instantis et deserentis. Schlaf stand ihm freilich zu jeder Zeit zu Gebote, befiel und verließ ihn bisweilen sogar beim Studieren.
Ante lucem ibat ad Vespasianum imperatorem – nam ille quoque noctibus utebatur -, inde ad delegatum sibi officium. Vor Tagesanbruch ging er zum Kaiser Vespasian, denn auch er war ein Nachtarbeiter, von da zu dem ihm aufgetragenen Dienst.
Reversus domum quod reliquum temporis studiis reddebat. Nach Hause zurückgekehrt, widmete er, was er an Zeit erübrigte, den Studien.
Post cibum saepe – quem interdiu levem et facilem veterum more sumebat – aestate si quid otii iacebat in sole, liber legebatur, adnotabat excerpebatque. Nach dem Essen – er aß nach der Sitte der Alten mehrmals am Tage, leichte, bekömmliche Kost – legte er sich im Sommer, wenn er einen Augenblick Zeit hatte, in die Sonne, ließ sich vorlesen, machte sich Notizen und Exzerpte.
Nihil enim legit quod non excerperet; Dicere etiam solebat nullum esse librum tam malum ut non aliqua parte prodesset. Denn er hat nichts gelesen, ohne es nicht auch zu exzerpieren; Auch pflegte er zu sagen, kein Buch sei so schlecht, daß es nicht irgendwie Nutzen brächte.
Post solem plerumque frigida lavabatur, deinde gustabat dormiebatque minimum; Mox quasi alio die studebat in cenae tempus. Nach dem Sonnenbad folgte meist ein kaltes Bad; darauf nahm er einen Imbiß und schlief dann einwenig; Bald studierte er wieder, als hätte ein neuer Tag begonnen, bis es Zeit zur Hauptmahlzeit wurde.
Super hanc liber legebatur adnotabatur, et quidem cursim. Bei Tisch wurde etwas vorgelesen und Notizen gemacht, und zwar wie im Fluge.
Memini quendam ex amicis, cum lector quaedam perperam pronuntiasset, revocasse et repeti coegisse; Huic avunculum meum dixisse: ‚Intellexeras nempe?‘ Ich entsinne mich noch, wie einmal einer seiner Freunde den Vorleser unterbrach, als dieser eine Stelle schlecht vorgetragen hatte, und verlangte, sie zu wiederholen; Wie mein Oheim zu ihm sagte: „Du hattest es doch verstanden, nicht wahr?“
Cum ille adnuisset, ‚Cur ergo revocabas? Decem amplius versus hac tua interpellatione perdidimus.‘ Und als der nickte: „Warum unterbrichst Du ihn dann? Mehr als zehn Zeilen haben wir durch diese Störung verloren.“
Tanta erat parsimonia temporis. So sparsam ging er mit der Zeit um.
Surgebat aestate a cena luce, hieme intra primam noctis et tamquam aliqua lege cogente. Im Sommer stand er noch bei Tage vom Tische auf, im Winter im Laufe der ersten Nachtstunde, wie unter dem Zwang eines Gesetzes.
Haec inter medios labores urbisque fremitum. So mitten in den Mühen, im Trubel der Stadt.
In secessu solum balinei tempus studiis eximebatur – cum dico balinei, de interioribus loquor; Nam dum destringitur tergiturque, audiebat aliquid aut dictabat. Auf dem Lande ruhten ruhten die Studien nur während der Badezeit – Wenn ich sage „Badezeit“, meine ich das eigentliche Bad; Denn beim Frottieren und Abtrocknen ließ er sich vorlesen oder diktierte.
In itinere quasi solutus ceteris curis, huic uni vacabat: Auf Reisen widmete er sich, sozusagen aller Sorgen ledig, allein dieser Tätigkeit:
Ad latus notarius cum libro et pugillaribus, cuius manus hieme manicis muniebantur, ut ne caeli quidem asperitas ullum studii tempus eriperet; Qua ex causa Romae quoque sella vehebatur. Ihm zur Seite mit Buch und Schreibtafel ein Stenograph, dessen Hände im Winter durch Handschuhe geschützt wurden, damit nicht einmal rauhes Wetter den Studien einen Augenblick entzöge; Darum bediente er sich auch in Rom einer Sänfte.
Repeto me correptum ab eo, cur ambularem: ‚Poteras‘ inquit ‚has horas non perdere‘; Nam perire omne tempus arbitrabatur, quod studiis non impenderetur. Ich muss noch daran denken, wie er mich zur Rede stellte, weshalb ich zu Fuß ginge: „Du hättest diese Stunden nicht zu verlieren brauchen“, sagte er; Er hielt nämlich jeden Augenblick für verloren, der nicht auf die Studien verwandt wurde.
Hac intentione tot ista volumina peregit electorumque commentarios centum sexaginta mihi reliquit, opisthographos quidem et minutissimis scriptos; Qua ratione multiplicatur hic numerus. Diese Anspannung befähigte ihn, die vielen Bände fertigzustellen und mir 160 Hefte mit Auszügen zu hinterlassen, und zwar zweiseitig eng beschrieben; Womit sich diese Zahl noch vervielfacht.
Referebat ipse potuisse se, cum procuraret in Hispania, vendere hos commentarios Larcio Licino quadringentis milibus nummum; et tunc aliquanto pauciores erant. Er selbst erzählte, diese Aufzeichnungen hätte er während seiner Verwaltungstätigkeit in Spanien für 400 000 Sestertien an Larcus Licinius verkaufen können, und damals waren es noch wesentlich weniger.
Nonne videtur tibi recordanti, quantum legerit quantum scripserit, nec in officiis ullis nec in amicitia principis fuisse? Rursus cum audis quid studiis laboris impenderit, nec scripsisse satis nec legisse? Wenn Du bedenkst, was alles er gelesen, was alles er geschrieben hat, erscheint es dir dann nicht unglaubwürdig, dass er daneben noch Verpflichtungen hatte und mit dem Kaiser befreundet war? Und andrerseits, wenn Du hörst, wie viele Mühe er auf seine Studien verwandt hat, hast du dann nicht den Eindruck, als hätte er verhältnismäßig wenig geschrieben und gelesen?
Quid est enim quod non aut illae occupationes impedire aut haec instantia non possit efficere? Denn was gibt es, was diese Abhaltungen nicht verhindern oder diese Ausdauer nicht erreichen könnte?
Itaque soleo ridere cum me quidam studiosum vocant, qui si comparer illi sum desidiosissimus. Darum muss ich immer lachen, wenn die Leute mich fleißig nennen, wo ich doch im Vergleich zu ihm ein rechter Faulpelz bin.
Ego autem tantum, quem partim publica partim amicorum officia distringunt? Und etwa nur ich, den die Pflichten gegenüber dem Staat, gegenüber den Freunden in Anspruch nehmen?
Quis ex istis, qui tota vita litteris assident, collatus illi non quasi somno et inertiae deditus erubescat? Wer sein ganzes Leben nur hinter den Büchern sitzt, muss nicht auch der sich im Vergleich zu ihm errötend als träge Schlafmütze vorkommen?
Extendi epistulam cum hoc solum quod requirebas scribere destinassem, quos libros reliquisset; Confido tamen haec quoque tibi non minus grata quam ipsos libros futura, quae te non tantum ad legendos eos verum etiam ad simile aliquid elaborandum possunt aemulationis stimulis excitare. Vale. Ich habe den Brief über Gebühr ausgedehnt, denn eigentlich wollte ich Dir nur eine Frage beantworten, welche Schriften er hinterlassen habe; Sicherlich wird Dir aber dies nicht weniger willkommen sein als die Schriften selbst und Dich nicht nur zu ihrer Lektüre anregen, sondern mit dem Stachel des Wetteifers spornen, etwas Ähnliches zu schaffen. Lebe wohl.
Eingereicht von Klaus H.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.