Ovid – Metamorphosen – Liber quartus – Leukothoe und Clytie – Übersetzung

Solis referemus amores. 170
primus adulterium Veneris cum Marte putatur
hic vidisse deus; videt hic deus omnia primus.
indoluit facto Iunonigenaeque marito
furta tori furtique locum monstravit, at illi
et mens et quod opus fabrilis dextra tenebat 175
excidit: extemplo graciles ex aere catenas
retiaque et laqueos, quae lumina fallere possent,
elimat. non illud opus tenuissima vincant
stamina, non summo quae pendet aranea tigno;
utque levis tactus momentaque parva sequantur, 180
efficit et lecto circumdata collocat arte.
ut venere torum coniunx et adulter in unum,
arte viri vinclisque nova ratione paratis
in mediis ambo deprensi amplexibus haerent.
Lemnius extemplo valvas patefecit eburnas 185
inmisitque deos; illi iacuere ligati
turpiter, atque aliquis de dis non tristibus optat
sic fieri turpis; superi risere, diuque
haec fuit in toto notissima fabula caelo.

‚Exigit indicii memorem Cythereia poenam 190
inque vices illum, tectos qui laesit amores,
laedit amore pari. quid nunc, Hyperione nate,
forma colorque tibi radiataque lumina prosunt?
nempe, tuis omnes qui terras ignibus uris,
ureris igne novo; quique omnia cernere debes, 195
Leucothoen spectas et virgine figis in una,
quos mundo debes, oculos. modo surgis Eoo
temperius caelo, modo serius incidis undis,
spectandique mora brumalis porrigis horas;
deficis interdum, vitiumque in lumina mentis 200
transit et obscurus mortalia pectora terres.
nec tibi quod lunae terris propioris imago
obstiterit, palles: facit hunc amor iste colorem.
diligis hanc unam, nec te Clymeneque Rhodosque
nec tenet Aeaeae genetrix pulcherrima Circes 205
quaeque tuos Clytie quamvis despecta petebat
concubitus ipsoque illo grave vulnus habebat
tempore: Leucothoe multarum oblivia fecit,
gentis odoriferae quam formosissima partu
edidit Eurynome; sed postquam filia crevit, 210
quam mater cunctas, tam matrem filia vicit.
rexit Achaemenias urbes pater Orchamus isque
septimus a prisco numeratur origine Belo.

‚Axe sub Hesperio sunt pascua Solis equorum:
ambrosiam pro gramine habent; ea fessa diurnis 215
membra ministeriis nutrit reparatque labori.
dumque ibi quadrupedes caelestia pabula carpunt
noxque vicem peragit, thalamos deus intrat amatos,
versus in Eurynomes faciem genetricis, et inter
bis sex Leucothoen famulas ad lumina cernit 220
levia versato ducentem stamina fuso.
ergo ubi ceu mater carae dedit oscula natae,
„res“ ait „arcana est: famulae, discedite neve
eripite arbitrium matri secreta loquendi.“
paruerant, thalamoque deus sine teste relicto 225
„ille ego sum“ dixit, „qui longum metior annum,
omnia qui video, per quem videt omnia tellus,
mundi oculus: mihi, crede, places.“ pavet illa, metuque
et colus et fusus digitis cecidere remissis.
ipse timor decuit. nec longius ille moratus 230
in veram rediit speciem solitumque nitorem;
at virgo quamvis inopino territa visu
victa nitore dei posita vim passa querella est.

‚Invidit Clytie (neque enim moderatus in illa
Solis amor fuerat) stimulataque paelicis ira 235
vulgat adulterium diffamatamque parenti
indicat. ille ferox inmansuetusque precantem
tendentemque manus ad lumina Solis et „ille
vim tulit invitae“ dicentem defodit alta
crudus humo tumulumque super gravis addit harenae. 240
dissipat hunc radiis Hyperione natus iterque
dat tibi, qua possis defossos promere vultus;
nec tu iam poteras enectum pondere terrae
tollere, nympha, caput corpusque exsangue iacebas:
nil illo fertur volucrum moderator equorum 245
post Phaethonteos vidisse dolentius ignes.
ille quidem gelidos radiorum viribus artus
si queat in vivum temptat revocare calorem;
sed quoniam tantis fatum conatibus obstat,
nectare odorato sparsit corpusque locumque 250
multaque praequestus „tanges tamen aethera“ dixit.
protinus inbutum caelesti nectare corpus
delicuit terramque suo madefecit odore,
virgaque per glaebas sensim radicibus actis
turea surrexit tumulumque cacumine rupit. 255

‚At Clytien, quamvis amor excusare dolorem
indiciumque dolor poterat, non amplius auctor
lucis adit Venerisque modum sibi fecit in illa.
tabuit ex illo dementer amoribus usa;
nympharum inpatiens et sub Iove nocte dieque 260
sedit humo nuda nudis incompta capillis,
perque novem luces expers undaeque cibique
rore mero lacrimisque suis ieiunia pavit
nec se movit humo; tantum spectabat euntis
ora dei vultusque suos flectebat ad illum. 265
membra ferunt haesisse solo, partemque coloris
luridus exsangues pallor convertit in herbas;
est in parte rubor violaeque simillimus ora
flos tegit. illa suum, quamvis radice tenetur,
vertitur ad Solem mutataque servat amorem.‘ 270


Deutsche Übersetzung: (Buch 4, Vers 170-270)
Leukothoe und Clytie

Sol bemerkte zuerst, wenn der Ruf nicht täuschet, der Venus
Heimliche Liebe mit Mars; denn zuerst bemerket er alles.
Und ihn schmerzte die Tat; und der Juno Sohne, dem Ehmann,
Sagt‘ er der Gattin Vergehn, und den Ort des Vergehens. Doch jenem
Sank die Besinnung zugleich und das Schmiedegerät aus der Rechten.
Schleunig schafft er aus Erz sich dünngezogene Kettlein;
Und feinmaschige Netze, die fast den Augen entschwinden,
Feilet er aus: nicht drehet die Spinnerin zartere Fäden;
Nicht mit so duftiger Web‘ umspannt‘ die Balken Arachne.
Auch daß, eben berührt, sie den leisteten Regungen folgen,
Macht er, und stellet geschickt sie rings um das Bette verbreitend.
Jetzo, sobald ein Lager das Weib und den Buhlen gesellet,
Siehe, durch Kunst des Gemahls, und neu erfundene Bande,
Werden im Augenblick der Umarmungen beide verhaftet.
Und der Lemnier, öffnend die elfenbeinenen Flügel,
Ladet die Götter heran. Sie ruhn miteinander gefesselt
Lästerlich. Doch wünscht mancher der nicht schwermütigen Götter,
Lästerlich also zu sein. Die Oberen lachten; und lange
Blieb dies allen umher das bekannteste Märchen im Himmel.

(190)Jetzt übt Cytherea der Anzeig‘ ahndende Strafe;
Und zum Vergelt ihm selbst, der verborgene Liebe gekränket,
Kränkt sie mit Liebe das Herz. Was nun, o du Sohn Hyperions,
Frommt dir deine Gestalt und die Wärm‘ und der strahlende Schimmer?
Du, da der Lande Bezirk mit deiner Glut du entflammest,
Flammst in anderer Glut; und da alles zu schaun dir gebühret,
Schaust du Leukothoe nur, und senkst auf die einzige Jungfrau
Deinen der Welt entzogenen Blick. Bald steigst du des Morgens
Früher am Himmel empor, bald tauchst du später des Abends.
Winterstunden verlängerst du im unersättlichen Anschaun.
Finsternis duldest du oft, da das Licht den Fehler des Geistes
Annimmt: und du erschreckst der Sterblichen Herz mit Dunkel.
Nicht, weil etwa der Mond, dem Erdkreis näher, dich hemmet,
Schwindet in Blässe dein Glanz; es entfärbt dich also die Liebe.
Jen‘ erkorst du allein; nicht Klymene fürder, und Rhodos,
Nicht die reizende Perse, der Circe Mutter, beherrscht dich,
Klytie nicht, die, wie sehr auch verschmäht, nach deiner Umarmung
Trachtete. Selbst ja trugst du nunmehr im Herzen die Wunde;
Und Leukothoe tilgte so vieler Frauen Gedächtnis:
Welche die Schönste vordem des balsambauenden Volkes
Ihrem Gatten gebar, Eurynome; und da sie aufwuchs,
Wie vor allen die Mutter, so ragt vor der Mutter die Tochter.
Orchamus hieß ihr Vater, der Achämenier König,
Welcher der Siebente sproßte vom Stamm des alternden Belus.

(214)Unter dem westlichen Pol hat Sol die Weide der Rosse.
Statt des Grases ernährt sie Ambrosia, welche die Glieder,
Matt vom Dienste des Tages, erquickt und kräftigt zur Arbeit.
Während die Stampfenden dort sich himmlische Nahrungen rupfen,
Und rings waltet die Nacht, geht liebend der Gott in die Kammern,
Eingehüllt in der Mutter Eurynome Bildung, und siehet
Unter den zwölf Hausmädchen Leukothoe neben dem Lichte
Ebenes Garn ausziehen an umgedreheter Spindel.
Wie sie nunmehr, als Mutter, ihr Töchterchen zärtlich geküsset:
Heimlich ist unser Geschäft; entfernt euch, sagt sie, ihr Mädchen;
Und nicht stört die Mutter, ein Wort in Vertrauen zu reden!
Alles gehorcht; und sobald das Gemach dem Gotte geräumt war:
Ich bin, sprach er, der Gott, der die Bahn des Jahres durchwandelt;
Alles seh‘ ich, und gebe dem Erdkreis alles zu sehen,
Ich das Auge der Welt. Du gefällst mir, glaub‘ es. Sie zaget;
Und vor Schrecken entsinkt aus der Hand ihr Wocken und Spindel.
Schön war selber die Angst; und der Gott, nicht länger verweilend,
Kehrte zurück in die wahre Gestalt und den eigenen Schimmer.
Aber die Jungfrau ward wie geschreckt von dem plötzlichen Anblick,
Doch von dem Schimmer besiegt, und sträubte sich nicht der Umarmung.

(234)Eifersucht entflammte die Klytie; denn ungemäßigt
Liebete Sol; und Rache der Nebenbuhlerin schwörend,
Rügt sie des Gottes Besuch, bis die schleichende Sage den Vater
Warnete. Jetzt voll Wut und unbarmherzig, wie flehend
Jene zum Lichte des Sol auch die Arm‘ ausstreckt‘, und: Da ist er,
Der mit Gewalt mich bezwang! ausrief, vergrub er sie grausam
Unter die Erd‘, und häufte gehügelten Sand zur Bedeckung.
Diesen zerstreut mit Strahlen der Sohn Hyperions, und öffnet
Ausgang dir, zu erheben das eingegrabene Antlitz.
Aber du konntest nicht mehr dein Haupt aufrichten, o Nymphe,
Welk von der lastenden Erd‘, und du lagst, ein erblichener Leichnam.
Niemals sah, wie man glaubt, der geflügelten Rosse Beherrscher
Seit des Phaethons Brande, so herzzerschneidenden Anblick.
Ach, mit strahlender Glut die erkälteten Glieder bescheinend,
Strebt er, zurück, wenn’s möglich, die Lebenswärme zu rufen.
Aber dieweil das Geschick ihm wehrt ein so kühnes Verlangen,
Sprengt er den Leib und den Ort mit balsamduftendem Nektar;
Und da er vieles geklagt: Doch steige mir, sprach er, zum Äther!
Plötzlich zerfloß, durchdrungen vom himmlischen Nektar, der Leib ihr
Aufgelöst, und tränkte mit Wohlgerüchen das Erdreich.
Bald nun wurzelte leis‘ und drang die Staude des Weihrauchs
Durch die Schollen empor, und brach mit dem Sprosse den Hügel.

(256)Aber der Klytie jetzt, wie sehr die Liebe den Schmerz auch,
Und wie sehr den Verrat ihr Schmerz entschuldigen konnte,
Nahete nimmer der Gott, und entzog ihr Lieb‘ und Umarmung.
Seitdem schwand sie dahin vor sinnlos starrender Sehnsucht:
Nacht und Tag, von den Nymphen getrennt, in der Freie des Himmels,
Saß sie auf nackendem Grund‘, ungeschmückt die betaueten Haare.
Neunmal kreiste das Licht; und Trank und Speise verschmähend,
Nahm die Fastende nichts als Tau und Tränen zum Labsal.
Nie auch wich sie vom Ort, und allein des wandelnden Gottes
Antlitz schaute sie an, ihr Gesicht umwendend nach jenem.
Endlich hafteten fest, wie man sagt, am Boden die Glieder,
Teils von fahler Blässe verfärbt zu erblichenem Kraute,
Teils errötend wie Gold; und gleich der gelben Viole
Krönt ihr die Blume das Haupt; obgleich an der Wurzel befestigt,
Dreht sie nach Sol sich herum und behält, auch verwandelt, die Liebe.

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