Phaedrus: Fabulae – 3,10 (Poeta de Credere et non Credere) – Übersetzung

Lateinischer Text: Deutsche Übersetzung:
Poeta de Credere et non Credere – Liber tertius (3) Der Dichter über Glauben und Nichtglauben – Buch 3
Periculosum est credere et non credere. Es ist gefährlich zu glauben, aber auch gefährlich, nicht zu glauben.
Utriusque exemplum breviter adponam rei. Für beide Sätze will ich kurz ein Beispiel vorsetzen.
Hippolytus obiit, quia novercae creditum est;
Cassandrae quia non creditum, ruit Ilium.
Hippolytos starb, weil man seiner Stiefmutter glaubte; Weil man Kassandra nicht glaubte, fiel Troja.
Ergo exploranda est veritas multum, prius
quam stulte prava iudicet sententia.
Daher muss Man sorgsam die Wahrheit erforschen, bevor eine falsche Meinung ein törichtes Urteil fällt.
Sed, fabulosam ne vetustatem elevem,
narrabo tibi memoria quod factum est mea.
Damit ich aber nicht die Erzeugnisse eines mythengläubigen Altertums anpreise, will ich dir erzählen, was zu meiner eigenen Zeit geschah.
Maritus quidam cum diligeret coniugem,
togamque puram iam pararet filio,
seductus in secretum a liberto est suo,
sperante heredem suffici se proximum.
Ein Mann liebte seine Frau, und als er seinem Sohn schon die Männertoga bereitete, wurde er von seinem Freigelassenen beiseite geführt dieser hoffte, er selbst werde als nächster Erbe eingesetzt.
Qui, cum de puero multa mentitus foret
et plura de flagitiis castae mulieris,
adiecit, id quod sentiebat maxime
doliturum amanti, ventitare adulterum
stuproque turpi pollui famam domus.
Der Verleumder log viel über den Jungen zusammen, mehr noch über die Schandtaten der keuschen Frau, und schließlich fügte er hinzu, denn er wusste, dass dies den Liebenden am meisten schmerzen würde, es komme häufig ein Ehebrecher, und der Ruf des Hauses werde durch schändlichen Ehebruch befleckt.
Incensus ille falso uxoris crimine
simulavit iter ad villam, clamque in oppido
subsedit; deinde noctu subito ianuam
intravit, recta cubiculum uxoris petens,
in quo dormire mater natum iusserat,
aetatem adultam servans diligentius.
Der Mann war über die erdichtete Beschuldigung seiner Frau erbittert, tat so, als ob er auf sein Landhaus gehen wolle, versteckte sich aber im Städtchen; Nachts drang er plötzlich ins Haus und ging geradewegs zum Gemach seiner Frau, wo diese auch ihren Sohn schlafen ließ, weil Sie den jungen Mann sorgsam überwachen wollte.
Dum quaerunt lumen, dum concursant familia,
irae furentis impetum non sustinens
ad lectum vadit, temptat in tenebris caput.
Während man Licht sucht und das Gesinde zusammenläuft, geht der Mann, von rasender Wut übermannt, zum Bett und tappt im Finstern nach einen Kopf.
Ut sentit tonsum, gladio pectus transigit,
nihil respiciens dum dolorem vindicet.
Als er kurze Haare spürt, stößt er das Schwert in die Brust des Liegenden und denkt an nichts als an Rache für seinen Schmerz.
Lucerna adlata, simul adspexit filium
sanctamque uxorem dormientem illum prope,
sopita primo quae nil somno senserat,
representauit in se poenam facinoris
et ferro incubuit quod credulitas strinxerat.
Als eine Laterne gebracht wird, sieht er den Sohn und seine keusche Frau neben diesem Schlafen; diese hatte, vom ersten Schlaf trunken, nichts bemerkt, der Mann nahm die Strafe seiner Tat auf sich und stürzte sich in das Schwert, das er leichtgläubig gezückt hatte.
Accusatores postularunt mulierem,
Romamque pertraxerunt ad centumuiros.
Ankläger forderten die Frau vor Gericht und zerrten sie nach Rom zum Hundertmännergericht.
Maligna insontem deprimit suspicio,
quod bona possideat. Stant patroni fortiter
causam tuentes innocentis feminae.
Obschon sie schuldlos war, unterlag sie böswilliger Verdächtigung, weil sie die Güter bekam. Die Verteidiger stehen mutig da und schützen die unschuldige Frau.
A divo Augusto tum petiere iudices
ut adiuvaret iuris iurandi fidem,
quod ipsos error implicuisset criminis.
Da baten die Richter den vergöttlichten Augustus, er möge ihnen helfen, ihren Richtereid zu erfüllen, weil sie durch den verwickelten Fall verwirrt seien.
Qui postquam tenebras dispulit calumniae
certumque fontem veritatis repperit,
„Luat“ inquit „poenas causa libertus mali;
namque orbam nato simul et priuatam viro
miserandam potius quam damnandam existimo.
Als der Caesar das Dunkel der Verleumdung zerstreut und den Quell zuverlässiger Wahrheit gefunden hatte, entschied er: „Der Freigelassene als der Urheber des Unheils soll bestraft werden; ich glaube nämlich, dass man die Frau, die Sohn und Mann zugleich verlor, eher bemitleiden als Verurteilen soll.
Quod si delata perscrutatus crimina
paterfamilias esset, si mendacium
subtiliter limasset, a radicibus
non evertisset scelere funesto domum.“
Wenn nämlich der Hausherr die hinterbrachten Vorwürfe überprüft und die Lüge sorgsam untersucht hätte, dann hätte er nicht durch ein todbringendes Vergehen sein Haus von Grund auf zerstört.“
Nil spernat auris, nec tamen credat statim,
quandoquidem et illi peccant quos minime putes,
et qui non peccant impugnantur fraudibus.
Das Ohr soll nichts verschmähen, soll aber auch nicht sogleich glauben; auch jene nämlich, von denen man es am wenigsten annehmen möchte, begehen Sünden, und wer nichts anstellt, wird durch trügerische Anklage angegriffen.
Hoc admonere simplices etiam potest,
opinione alterius ne quid ponderent.
Dieses Beispiel kann auch einfachere Gemüter davor warnen, etwas nach der Meinung eines anderen zu beurteilen.
Ambitio namque dissidens mortalium
aut gratiae subscribit aut odio suo.
Das Streben der Menschen geht nämlich in verschiedene Richtungen und schließt sich entweder der eigenen Vorliebe oder der Abneigung an.
Erit ille notus quem per te cognoveris. Der nur ist dir wirklich bekannt, den du persönlich kennen gelernt hast.
Haec exsecutus sum propterea pluribus,
brevitate nimia quoniam quosdam offendimus.
Diesen Gegenstand habe ich deshalb breiter ausgeführt, weil ich bei gewissen Leuten durch allzu große kürze Anstoß erregte.
Eingereicht von Sonneblume1990

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