Ovid – Metamorphosen – Liber secundus – Der Rabe und die Krähe (Coronis) – Übersetzung

Tam nuper pictis caeso pavonibus Argo,
quam tu nuper eras, cum candidus ante fuisses,
corve loquax, subito nigrantis versus in alas. 535
nam fuit haec quondam niveis argentea pennis
ales, ut aequaret totas sine labe columbas,
nec servaturis vigili Capitolia voce
cederet anseribus nec amanti flumina cycno.
lingua fuit damno: lingua faciente loquaci 540
qui color albus erat, nunc est contrarius albo
Pulchrior in tota quam Larisaea Coronis
non fuit Haemonia: placuit tibi, Delphice, certe,
dum vel casta fuit vel inobservata, sed ales
sensit adulterium Phoebeius, utque latentem 545
detegeret culpam, non exorabilis index,
ad dominum tendebat iter. quem garrula motis
consequitur pennis, scitetur ut omnia, cornix
auditaque viae causa ’non utile carpis‘
inquit ‚iter: ne sperne meae praesagia linguae! 550
quid fuerim quid simque vide meritumque require:
invenies nocuisse fidem. nam tempore quodam
Pallas Ericthonium, prolem sine matre creatam,
clauserat Actaeo texta de vimine cista
virginibusque tribus gemino de Cecrope natis 555
et legem dederat, sua ne secreta viderent.
abdita fronde levi densa speculabar ab ulmo,
quid facerent: commissa duae sine fraude tuentur,
Pandrosos atque Herse; timidas vocat una sorores
Aglauros nodosque manu diducit, et intus 560
infantemque vident adporrectumque draconem.
acta deae refero. pro quo mihi gratia talis
redditur, ut dicar tutela pulsa Minervae
et ponar post noctis avem! mea poena volucres
admonuisse potest, ne voce pericula quaerant. 565

At, puto, non ultro nequiquam tale rogantem
me petiit!—ipsa licet hoc a Pallade quaeras:
quamvis irata est, non hoc irata negabit.
nam me Phocaica clarus tellure Coroneus
(nota loquor) genuit, fueramque ego regia virgo 570
divitibusque procis (ne me contemne) petebar:
forma mihi nocuit. nam cum per litora lentis
passibus, ut soleo, summa spatiarer harena,
vidit et incaluit pelagi deus, utque precando
tempora cum blandis absumpsit inania verbis, 575
vim parat et sequitur. fugio densumque relinquo
litus et in molli nequiquam lassor harena.
inde deos hominesque voco; nec contigit ullum
vox mea mortalem: mota est pro virgine virgo
auxiliumque tulit. tendebam bracchia caelo: 580
bracchia coeperunt levibus nigrescere pennis;
reicere ex umeris vestem molibar, at illa
pluma erat inque cutem radices egerat imas;
plangere nuda meis conabar pectora palmis,
sed neque iam palmas nec pectora nuda gerebam; 585
currebam, nec, ut ante, pedes retinebat harena,
sed summa tollebar humo; mox alta per auras
evehor et data sum comes inculpata Minervae.
quid tamen hoc prodest, si diro facta volucris
crimine Nyctimene nostro successit honori? 590
an quae per totam res est notissima Lesbon,
non audita tibi est, patrium temerasse cubile
Nyctimenen? avis illa quidem, sed conscia culpae
conspectum lucemque fugit tenebrisque pudorem
celat et a cunctis expellitur aethere toto.‘ 595

Talia dicenti ‚tibi‘ ait ‚revocamina‘ corvus
’sint, precor, ista malo: nos vanum spernimus omen.‘
nec coeptum dimittit iter dominoque iacentem
cum iuvene Haemonio vidisse Coronida narrat.
laurea delapsa est audito crimine amantis, 600
et pariter vultusque deo plectrumque colorque
excidit, utque animus tumida fervebat ab ira,
arma adsueta capit flexumque a cornibus arcum
tendit et illa suo totiens cum pectore iuncta
indevitato traiecit pectora telo. 605
icta dedit gemitum tractoque a corpore ferro
candida puniceo perfudit membra cruore
et dixit: ‚potui poenas tibi, Phoebe, dedisse,
sed peperisse prius; duo nunc moriemur in una.‘
hactenus, et pariter vitam cum sanguine fudit; 610
corpus inane animae frigus letale secutum est.

Paenitet heu! sero poenae crudelis amantem,
seque, quod audierit, quod sic exarserit, odit;
odit avem, per quam crimen causamque dolendi
scire coactus erat, nec non arcumque manumque 615
odit cumque manu temeraria tela sagittas
conlapsamque fovet seraque ope vincere fata
nititur et medicas exercet inaniter artes.
quae postquam frustra temptata rogumque parari
vidit et arsuros supremis ignibus artus, 620
tum vero gemitus (neque enim caelestia tingui
ora licet lacrimis) alto de corde petitos
edidit, haud aliter quam cum spectante iuvenca
lactentis vituli dextra libratus ab aure
tempora discussit claro cava malleus ictu. 625
ut tamen ingratos in pectora fudit odores
et dedit amplexus iniustaque iusta peregit,
non tulit in cineres labi sua Phoebus eosdem
semina, sed natum flammis uteroque parentis
eripuit geminique tulit Chironis in antrum, 630
sperantemque sibi non falsae praemia linguae
inter aves albas vetuit consistere corvum.


Deutsche Übersetzung: (Buch 2, Vers 533-632)
Der Rabe und die Krähe (Coronis)

Vormals weißer wie Schnee mit silberhellem Gefieder
Blinkte der Rab‘, und trotzte den ganz ungemakelten Tauben;
Nicht die wachsame Gans, die Roms Kapitole zur Hut war,
Schimmerte heller denn er, noch der rudernde Schwan im Gewässer.
Ihm war die Zunge Verderb; durch Schuld der geschwätzigen Zunge
Ward das lichte Gefieder in dunkeles plötzlich verwandelt.
Schöner war, wie Koronis, die Larissäerin, keine
Aller hämonischen Frau’n. Dir wenigstens, Phöbus, gefiel sie,
Weil noch züchtig sie war, und noch unbeachtet. Doch endlich
Merkte den Flattersinn der apollonische Vogel;
Und zu entdecken die Schuld, ein unerbittlicher Melder,
Lenkt‘ er zu seinem Beherrscher den Flug. Mit geschwungenem Fittich
Folgt ihm die plaudernde Kräh‘, um alles genau zu erforschen.
Als sie des Wegs Ursache gehört: Nicht frommet der Weg dir,
Sagte sie, welchen du eilst; o gedenk‘ an meine Verkündung!
Schau , was ich war, und was jetzo ich bin; dann forsche, woher das?
Und du erkennst, daß Treue mir schadete. Einst in der Vorzeit
Hatte der Erde Geschlecht, den Erichthonius, Pallas
In der geflochtenen Kist‘ aus attischem Reisig verschlossen.
Drei jungfräulichen Töchtern des zweigestalteten Cekrops
Gab sie darauf den Beding, daß nicht ihr Geheimnis sie sähen.
Ich, im luftigen Laube der dichten Ulme verborgen,
Späh‘ ihr Tun. Zwo schützen das Unvertraute redlich,
Pandrosos samt der Herse; doch Furchtsame schilt sie Aglauros;
Und sie entschürzt mit der Hand die schließenden Knoten, und drinnen
Sehn sie ein Kind, und zugleich den langgeringelten Drachen,
Schnell, was geschehn, verkünd‘ ich der Herrscherin. Dessen zum Danke
Werd‘ ich, vordem ihr Liebling, verdrängt aus dem Schutz der Minerva,
Selbst von dem Vogel der Nacht. Mein Schicksal kann dem Geflügel
Warnung sein, daß keiner Gefahr mit der Stimme sich schaffe.

(566)Nicht freiwillig vielleicht, und ungebeten um solches,
Wählte sie mich? Geh hin, und erkunde dich selber bei Pallas!
Wie voll Zornes sie ist, auch die zornige wird es nicht leugnen!
Denn mich hat ein Berühmter im phokischen Lande, Koroneus
(Kundiges red‘ ich) gezeugt; und ich glänzt‘ als Königestochter;
Auch (verachte mich nicht) bewarben sich mächtige Freier.
Unglück war die Gestalt. Denn indem an den sandigen Ufern
Ich mit langsamem Schritt lustwandelte, wie ich gewohnt bin,
Sah mich der Herrscher des Meers, und erglühete; und da er bittend
Lange die Zeiten umsonst mit schmeichelnden Worten verschwendet,
Übt er Gewalt, und verfolgt: ich entflieh, und verlasse des Ufers
Dichten Saum, ohnmächtig im mulmigen Sande mich müdend.
Götter ruf‘ ich und Menschen um Schutz; doch erreichte die Stimme
Keines Sterblichen Ohr: für die Jungfrau sorgte die Jungfrau,
Welche mir Rettung verlieh. Ich erhob die Arme zum Himmel;
Und an den Armen entlang erdunkelte leichtes Geflügel.
Werfen wollt‘ ich zurück das Gewand von der Schulter; doch Feder
War das Gewand; und hatt‘ in die Haut tief Wurzel getrieben.
Schmerzvoll regt‘ ich die Händ‘, um die nackenden Brüste zu schlagen;
Aber ich sah nicht Hände, noch nackende Brüste mir übrig.
Zwar ich lief; doch hemmte nicht Sand mir die Füße, wie vormals;
Nein, ich schwebt‘ an dem Boden daher, in die Luft dann gehoben
Flog ich, und ward der Minerva zur unbescholtnen Gesellin.
Aber was frommet mir das, wenn Nyktimene, welche zum Vogel
Gräßliche Schuld umschuf, Nachfolgerin unserer Ehr‘ ist?
Hast du vielleicht die Geschichte, die weit durch Lesbos ertönet,
Nie mit den Ohren gehört? wie Nyktimene frech des Erzeugers
Lager entweiht? Auch als Vogel gequält von dem Greuel der Blutschuld,
Flieht sie den strafenden Blick lichtscheu, und verbirgt in dem Dunkel
Ihre Schmach; und alle verbannen sie rings aus dem Äther.

(596)Also plauderte sie. Dir selbst, antwortet‘ der Rabe,
Lohne die Warnung mit Schimpf: ich verachte die nichtige Deutung.
Schnell den begonnenen Weg vollbringt er, und sagt dem Apollo,
Daß er gesehn, wie Koronis geküßt ein hämonischer Jüngling.
Aber dem Liebenden sank bei der Schuld Anzeige der Lorbeer;
Und die erhabene Miene zugleich, und die Laut‘ und die Farbe
Schwanden ihm. Dann, wie der Zorn im gärenden Herzen emporschwoll,
Rafft er die heilige Wehr! und den krummgehörneten Bogen
Spannt er; und, ach! den Busen, der oft an dem seinigen ruhte,
Diesen durchbohrte der Gott mit unvermeidlicher Spitze.
Und die Getroffene seufzt‘, und indem sie den Stahl aus der Wunde
Zog, umströmte das Blut die schneeigen Glieder mit Purpur.
Und sie begann: Gern mocht‘ ich den Fehl dir büßen, o Phöbus,
Aber gebären zuvor; nun sterben wir zwei in der einen!
Dies nur; und sie verströmte zugleich mit dem Blute das Leben;
Und der entseelete Leib erstarrt‘ in der Kälte des Todes.

(612)Ach, den Liebenden reut zu spät die grausame Strafe;
Und sich selbst, daß er hörte, daß so er entloderte, haßt er;
Haßt auch den Vogel zugleich, der ihn das Vergehn zu erfahren
Zwang, und des Schmerzes Beginn; auch die Senn‘, und den Bogen, die Hand auch
Haßt er, und haßt, mit der Hand, die so blind ausliegenden Pfeile.
Zärtlich umarmt er und pflegt die gesunkene, strebet das Schicksal
Noch durch Rat zu besiegen, und übt nichts fruchtende Heilkunst.
Aber da alles umsonst er versucht, und gesehen die Scheiter
Aufgehäuft, und geordnet zum Totenbrande den Leichnam;
Jetzt ein banges Geseufz (denn es ziemt nicht himmlischer Antlitz,
Feucht von Tränen zu sein), aus dem innersten Herzen geatmet,
Seufzet er: anders nicht, als wenn vor den Augen der Mutter
Ihrem noch saugenden Kalbe der rechts vom Ohre geschwungne
Hammer mit tönendem Schlag die gehöhlete Schläfe zerschmettert.
Doch wie die Brust er beströmte mit unwillkommenen Düften,
Und in die Arme sie schloß, unpflichtige Pflichten vollendend,
Duldete Phöbus es nicht, daß zugleich sein Sam‘ in die Asche
Stäubete; sondern hervor aus der Flamm‘ und dem Schoße der Mutter
Riß er den Sohn, und trug ihn zur Kluft des gedoppelten Chiron.
Doch ihn, welcher den Lohn der nicht falschredenden Zunge
Hoffte, den Raben enthob er der Schar weißfiedrichter Vögel.

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