Vergil – Aeneis – Liber quartus – Vers 1-30 – Übersetzung

At regina gravi iamdudum saucia cura
vulnus alit venis et caeco carpitur igni.
multa uiri virtus animo multusque recursat
gentis honos; haerent infixi pectore vultus
uerbaque nec placidam membris dat cura quietem. 5
postera Phoebea lustrabat lampade terras
umentemque Aurora polo dimouerat umbram,
cum sic unanimam adloquitur male sana sororem:
‚Anna soror, quae me suspensam insomnia terrent!
quis nouus hic nostris successit sedibus hospes, 10
quem sese ore ferens, quam forti pectore et armis!
credo equidem, nec uana fides, genus esse deorum.
degeneres animos timor arguit. heu, quibus ille
iactatus fatis! quae bella exhausta canebat!
si mihi non animo fixum immotumque sederet 15
ne cui me uinclo uellem sociare iugali,
postquam primus amor deceptam morte fefellit;
si non pertaesum thalami taedaeque fuisset,
huic uni forsan potui succumbere culpae.
Anna (fatebor enim) miseri post fata Sychaei 20
coniugis et sparsos fraterna caede penatis
solus hic inflexit sensus animumque labantem
impulit. agnosco ueteris uestigia flammae.
sed mihi uel tellus optem prius ima dehiscat
uel pater omnipotens adigat me fulmine ad umbras, 25
pallentis umbras Erebo noctemque profundam,
ante, pudor, quam te uiolo aut tua iura resoluo.
ille meos, primus qui me sibi iunxit, amores
abstulit; ille habeat secum seruetque sepulcro.‘
sic effata sinum lacrimis implevit obortis. 30


Deutsche Übersetzung:
Dido gesteht Aeneas ihre Liebe (Buch 4)

Aber die Königin, die schon längst durch schweren Liebeskummer verletzt war, ließ ihre Wunde in ihrem Inneren größer werden und wurde von heimlicher Liebesglut verzehrt. Die große Tapferkeit des Mannes und die große Ehre seines Geschlechtes kehrte immer wieder in ihren Sinn zurück; es haften fest in ihrem Herzen seine Blicke und seine Worte, und nicht vergönnt die Sorge den Gliedern eine friedliche Ruhe. Die nächste Morgenröte erhellte mit dem Licht des Phoebus die Länder und hatte den feuchten Schatten vom Himmel entfernt, als die Liebeskranke ihre vertraute Schwester folgendermaßen ansprach: „Schwester Anna, welche Träume erschrecken mich Unruhige! Was für ein neuer Gast kam hier zu unserem Wohnsitz, mit welchem Antlitz tritt er auf, wie tapfer ist sein Herz, wie tapfer sind seine (Kriegs)Taten! Ich glaube allerdings – und dieser Glaube ist nicht leer –, daß er von Göttern abstammt. Die Furcht verrät die unedlen Seelen. Ach, von welchen Schicksalsschlägen wurde jener getrieben! Von welch überstandenen Kriegen erzählte er? Wenn es nicht fest und unerschütterlich im Herzen säße, mich mit keinem (Mann) durch ein eheliches Band vereinigen zu wollen, nachdem mich Betrogene die erste Liebe durch den Tod (des Gatten) getäuscht hat; wenn ich nicht dem Ehebett und der Hochzeitsfackel überdrüssig geworden wäre, dann könnte ich vielleicht dieser einen Schuld erliegen. Anna (denn ich werde nämlich sprechen), nach dem Schicksal meines armen Gatten Sychaeus und nachdem die Penaten durch die Mordtat des Bruders (mit Blut) befleckt worden waren, hat dieser allein meine Sinne umgestimmt und meinen Geist zum Wanken gebracht. Ich erkenne die Spuren der alten Liebesglut. Aber ich würde mir eher wünschen, daß entweder sich die tiefste Erde für mich (klaffend) auftut oder der allmächtige Vater mich mit seinem Blitz zu den Schatten schleudert, (zu) den bleichen Schatten im Erebus und in die tiefe Nacht, bevor ich dich, Schamgefühl, verletze oder deine Gesetze auflöse. Jener, der sich als erster mit mir verbunden hat, nahm meine Liebe hinweg; er möge sie mit sich haben und in seinem Grab behüten.“ Nachdem sie so gesprochen hatte füllte sie den Gewandbausch mit hervorbrechenden Tränen.

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